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Letters Details


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Date from letter: [19]12.12.21 Filing Element: 1912.12.21
ID: 19700
URN: https://repo.schoenberg.at/urn:nbn:at:at-asc-B197009
From
Name: Berg, Alban
Address: Trauttmansdorffgasse 27, Wien XIII, Österreich
City: Wien
Country: Österreich
To
Name: Schönberg, Arnold
Title: Herr
First Line: Ich hab Ihnen, lieber Herr Schönberg, lang nichts
Language: G, German
Transcribed
VersionFormatfolSourceLocation in source
Final version translation, Englishprinted (1p.)1p.BrandJ-1p. 9
Final versionphotocopy (6p.)6p.ASCL10B6
Final versionmicrofilm (8fr.)8fr.ASCSatCollO1, rl.4, fr.338-345
Final versionmicrofilm (6fr.)6fr.ASCSatCollL10, rl.22, fr.623-628
Final versionhandwritten letter (10p.)10p.LC
Final version translation, Englishprinted (3p.)3p.BrandJ-2p. 134-136
Final versionscan (6f.)6f.ASCLC045
Final versionprinted (3p.)3p.BrandHaileyMeyerI. p. 328-330
Final versionprinted (2p.)2p.GA Reihe B/Band 16,3p. 145-146 (partial)

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handwritten letterhttps://repo.schoenberg.at/urn:nbn:at:at-asc-BM165800
Text: 21. Dez. 12

Ich hab Ihnen, lieber Herr Schönberg, lang nichts geschrieben. Schuld war die riesige Arbeit an den Stimmen der Gurrelieder, die ich zu dem Theil, den ich übernommen habe, (Holz Blech u. Schlagwerk von S. 123 bis zum Schluß der Partitur, im Ganzen 750 Seiten,) dem Hertzka abgegeben habe. Ich soll nun auch, nachdem sich in der Partitur soviel Fehler ergeben haben, auch die andern Stimmen, u. auch die autographierten Streicher Stimmen, aber nur in Stichproben durchsehn, da diese Stimmen ja schon des öftern collationiert wurden u. außerdem aus Berlin kamen. Außerdem sind dies ja die Stimmen jenes Theils der Gurrelieder, der schon zur Zeit der Composition in die Partitur geschrieben wurde, – – wo also sicherlich viel weniger Schreibfehler, kleine Irrtümer im Transponieren, fehlende dynamische, rhythmische Bezeichnungen, Bögen, Punkte, etc. vorkamen, als von S. 123 an, wo Sie sich nicht so viel Zeit nahmen u. die Neuinstrumentation nur so nebenbei machten. Denn sollte ich die andern Stimmen u. Theile der Part. ebenso genau durchsehn wie diesen letzten von S. 123 an, so hätte ich Mindesten[s] 6–8 Wochen täglich 5 Stunden zu collationieren, was sich für die verhältnismäßig geringere Anzahl der Fehler dieser Theile kaum rentierte u. dies in den 1ten Proben viel schneller gienge. So viel ich die Stimmen jetzt durchsah, scheinen sie wirklich um vieles richtiger zu sein, als die vom letzten Theil, nicht nur weil die Copisten-Fehler ja schon corrigiert sind, sondern wie gesagt die Partitur jener Theile viel richtiger, ja vielleicht fehlerlos ist. Ich könnte mich dann nämlich endlich auch der themat. Analyse zuwenden zu der ich wohl sehr lange brauchen dürfte, um halbwegs das zu erreichen, was ich mir vorstelle, und wozu Sie mich anregten. Schließlich will Hertzka keinen Heller mehr für die Stimmen ausgeben, die ihn ohnehin 1000–1200 K schon gekostet hätten u. er riesig böse war, daß ich für die bis jetzt gelieferte, mindestens 100stündige Arbeit 200 K begehrte.
Er entschuldigte sich nämlich mit dem, daß er nicht erwarten könne, daß ihm die Ausgaben für die Stimmen weder von Guttmanns in Berlin, noch vom Philharmonischen Chor ersetzt werden können. Letzterer ist überhaupt durch sein letztes Konzert*) sehr geschädigt. Und der philh. Chor befindet sich in pekuniär ungünstiger Lage. Im Chor selbst wird schon geprobt, obwohl noch kein Männerchor da ist! Alle großen Chöre haben abgesagt, u. man sucht bei kleineren Chören: Kaufmännischer Gesangsverein / Verstärkung, um mit den eigenen Männern die Männerchöre aufzuführen. Schreker hat wahnsinnig viel zu tun. Er verreist nach Weihnachten zu Premièren, Anfangs Februar ist seine W r Première. Ich soll während seiner Abwesenheit 2 Proben des gemischten Chors leiten, u. überhaupt öfter die Männerchöre. Ich bin noch stark im Zweifel ob ich dies leisten kann! Muß mich aber bald entscheiden. Dafür spricht, daß ich nichts unterlassen will, um die Aufführung die so lax betrieben wird, zu ermöglichen, daß ich ungeheure Lust habe, auf diese Weise zu musizieren, u. gerade mit diesem Werk.**) Was dagegen spricht, wissen Sie, lieber Herr Schönberg: mein Zweifel an meiner Fähigkeit dazu u. der Gedanke, daß mein Mut, es zu tun, vielleicht Übermuth ist, den ich bereuen müßte. Ein Wort von Ihnen, lieber Herr Schönberg, wäre mir äußerst kostbar. Es wäre, (wenn es noch rechtzeitig einträfe,) wie immer, ausschlaggebend! Schließlich könnte ich mich an dem Zustandekommen der Aufführung auch sonstwie beteiligen, etwa am Einstudieren der Sprecherrolle, Klaus Narr etc. … Nachdem ja Schreker froh sein wird, wenn er bei seinem Zeit-Mangel, Hilfe hat; Es soll übrigens, wie mir Schreker sagte noch kein Sprecher da sein! Dem Onno soll es zu hoch sein, u. doch ist [er] der einzige der mir dazu geeignet scheint. Ich wüßte niemand u. Schreker auch nicht! – Sie sehn, lieber Herr Schönberg, ich sag Ihnen da lauter halbe Dinge u. will mit diesen Berichten lieber einhalten u. warten, bis ich nach einer gründlichen Unterredung mit Schreker, dieser Tage genaueres weiß. Jetzt will ich Ihnen, mein lieber guter Herr Schönberg u. Ihrer lieben Familie nur meine alleraufrichtigsten Wünsche für Weih-Nachten u. die kommenden Feiertage sagen. Und dies auch im Namen meiner Frau tun. Wir hoffen, daß Sie von Ihrer russischen Reise recht gut u. erfolgreich heimgekommen sind u. danken Ihnen vielmals für Ihre Kartengrüße aus Petersburg. Ich bin ungeheuer begierig wie Aufführung u. Aufnahme war! Gewiß sehr zufriedenstellend! (Über die Auspizien zu dem Wr. Concert, schrieb Ihnen ja Buschbeck ausführlich. Ich bin über Ihre Idee, außer Kammersymphonie die Eroika u. Webern aufzuführen enorm begeistert. Gestern machte Nedbal die Eroika.)
Ich habe mir erlaubt, Ihnen lieber Herr Schönberg – (der Einfachheit halber durch den Buchhändler –) einige Bände Balzac zu senden, wovon mir die Briefe an die Fremde bekannt sind u. die mir (besonders im I. Band) sehr gefielen u. mich über vieles, besonders Seraphita, Lambert etc. informierten u. das Sie, wie ich mir immer beim Lesen dachte – interessieren dürfte, die andern Werke, die ich nur theils kenne, scheinen mir nach dem, was in den „Briefen“ darüber stand zu den schönsten Balzacs zu gehören u. ich hoffe, mich nicht ganz vergriffen zu haben; denn jetzt, wo ich fern von Ihnen bin, wo ich also nicht einmal weiß, was Sie an Noten, Büchern etc. haben, fiel es mir riesig schwer etwas zu finden, was Ihnen, lieber Herr Schönberg, ein wenig Freude machen könnte – u. was Sie nicht ohnehin hätten. Hoffentlich kommen die Bücher nicht auch von anderer Seite, u. hoffentlich nehmen Sie mir’s nicht übel, daß ich über diese Kleinigkeit, die ja nicht der Rede wert ist, so viel Worte gemacht habe.
Nochmals tausend Weihnachtswünsche, mein lieber verehrter Herr Schönberg von Ihrem in Gedanken fast immer c bei Ihnen weilenden Berg
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*) Es waren die Novitäten von Delius, der unter die Franzosen gegangen ist, u. Schillings der die von Rich. Strauß vernachlässigte Art des Componierens von Don Juan bis Elektra, nun weiter fortsetzt – außerdem die Schumann–Pfitzner Chöre. Aufführung sowohl gesanglich als instrumental sehr schlecht.
**) Ich sollte wohl die Männer u. Frauenchöre – – jedes extra einstudieren.
 
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